Kleinkinderarbeit
Unsere gedanklichen Grundlagen für die Arbeit mit
den zwei- bis dreijährigen Kindern!
Wie sind zweijährige Kinder überhaupt?
„Von wem reden wir eigentlich, wenn es um 2-jährige geht?
2-jährige sind nicht einfach nur ein Jahr jünger und unerfahrener als 3-jährige, 2-jährige sind nicht 3-jährige, die noch in die Hose machen, beim Essen kleckern und nicht mit einer Schere umgehen können.
Sie sind bezüglich ihres Entwicklungsstandes, ihrer Bedürfnisse, Risiken und Ansprüche noch ganz andere Kinder als 3-jahrige.
Und wie sind 2-jährige? Sie sind vor allem aktiv und
Kommunikationsfreudig"
(Gabriele Haug-Schnabel und Joachim Bensel)
Das Kind unter 3 Jahren hat noch kein eigenes Ich-Bewusstsein, d.h. es ist noch ganz hingegeben in dem was es erlebt, es ist ganz in dem Anderen. Rudolf Steiner spricht von „leiblicher Religiosität“.
Es will noch ganz nah beim Erwachsenen sein, es will nachahmen.
Das Kind ist in diesem Nachahmen sehr individuell, es selektiert. Das Kind hat ein großes Selbstbildungspotenzial, es entscheidet was, wann und wie es sich entwickelt.
In diese Phase gehört auch das Trotzen des kleinen Kindes. Das Kind erlernt, erfährt durch dieses Tun, durch dieses sich Reiben an vertrauten Personen seine eigene Grenze. Dadurch wird das „Bewusstsein von sich selbst“, das eigene „Ich-Erleben“ gestärkt.
Da das kleine Kind noch kein durchgängiges Ich-Bewusstsein hat, ist es erklärlich, dass es seine körperlichen Ausscheidungen auch noch nicht bewusst kontrollieren kann. Das bedeutet, es erfährt sich noch nicht abgegrenzt zu seiner Umwelt. Es „fließt“ im wahrsten Sinne des Wortes noch mit. Es muss noch gewickelt werden und braucht für die Körperpflege noch Unterstützung und Hilfe (z.B. beim Anziehen, Händewaschen, Essen, etc.).
Diese „ganz-nah-sein“ am Körper des kleinen Kindes, dieses menschlich, intime Miteinander von Kind und Erzieherin fordert große Achtsamkeit und Respekt für das kleine Kind. Diese Zeit sollte zur bewussten Beziehungspflege zwischen diesen beiden genutzt werden.
Deshalb ist es nötig, dass der Pflege des kleinen Kindes bewusst eine große Wichtigkeit, ein großer Zeitraum gegeben wird.
Das Kind zwischen 2 und 3 Jahren setzt sich mit der Welt auseinander. Es fängt an, die Welt „nachzuspielen“. Es will alles alleine tun.
So fängt es auch an, mit anderen Kindern zusammen sein zu wollen. Das „mein“ und „dein“ kann es noch nicht bewusst auseinander halten. Es kommt oft zu Konflikten.
Oft spielt es noch neben anderen Kindern, bewegt sich viel, ist eigentlich dauernd in Bewegung. Manchmal spielen sie aber schon miteinander.
Die liebevolle Begleitung der Erwachsenen ist hier sehr gefragt. Das kleine Kind braucht die Nähe zu ihm, aber auch die vielen Möglichkeiten, frei agieren zu können und zu dürfen.
Im Alter von 2-3 Jahren vergrößert sich das Sprachvermögen des kleinen Kindes enorm. Von ca. 40-50 Wörtern, die es mit 2 Jahren kann, erwirbt es sich im Laufe des 3.Lebensjahres ca. 1000 Wörter dazu. Schwierige Lautverbindungen werden gelernt (z.B. „kl“, „gr“, „kn“, „pl“, etc.). Hinzu kommen dann natürlich die Mehrwortsätze, sogar schon Nebensätze fängt es an zu bilden und es fragt und fragt und fragt.
Die Welt durch Fragen, aber auch durch aktives Tun erfassen und begreifen wollen, das ist jetzt angesagt. Vor allem möchte es jetzt da sein (Ich-Sein), sich mitteilen und fordert dies auch ein. Es benötigt Zuhörer, die viel Zeit haben. Es liebt aber auch das Singen, Fingerspiele, kurze Bewegungsspiele; Knie- und Handgestenspiele.
Das Kind „erobert“ sich in dieser Zeit die Welt, will sie für sich erklärbar machen, sie verstehen, vergrößert seinen Aktionsradius aber es braucht noch unbedingt die Rückversicherung, den Blick eines vertrauten Menschen (ja es ist in Ordnung, ja ich in da), um aus dieser Sicherheit heraus immer mehr selbstständig zu werden und zuletzt dann zum „Ich-Empfinden“ zu kommen.
Zum Sicherheitsgefühl des kleinen Kindes trägt aber auch bei, wenn die Welt heute so, morgen auch so ähnlich erlebt wird. Ein geordnetes rhythmisches Leben, Wiederholungen und die Möglichkeit Eigenes zu tun, selber ausprobieren zu dürfen, soviel Zeit dafür zu bekommen, wie es selbst entscheidet zu gebrauchen, das gibt Vertrauen in sich und die Welt.
Hat das kleine Kind die Erfahrung dieser sicheren Umgebung und hat es verlässliche, liebevolle Bindungen zu vertrauten Menschen, dann kann es umso leichter in seinen Leib hineinwachsen, kann sich inkarnieren und zu einem Ich-Empfinden kommen.
Da das kleine Kind sich ganz vertrauensvoll auf allen Ebenen (seelisch-geistig) mit dem Erwachsenen, den es nachahmt, verbindet, ist es umso wichtiger, selbstkritisch, selbstbeobachtend und selbsterzieherisch auf die eigene Person zu schauen und zu wirken.
Es gibt im Grunde genommen
Auf keiner Stufe eine andere Erziehung
Als Selbsterziehung!
Jede Erziehung ist Selbsterziehung
Und wir sind eigentlich als Lehrer und Erzieher
Nur die Umgebung
Der sich selbst erziehenden Kinder.
Wir müssen die günstige Umgebung abgeben
Damit an uns das Kind
Sich so erzieht
Wie es sich durch sein eigenes Schicksal
Erziehen muss.
(Rudolf Steiner)
Welche „günstige Umgebung“ müssen Erzieherinnen für das kleine Kind abgeben?
Wir pflegen Eigenschaften, Haltungen, Erkenntnisse, wie:
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Sicherheit, Ruhe, Gelassenheit, Zeit haben
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Die Individualität des Kindes respektieren.
D.h. wir werden uns immer wieder darüber klar: es gibt nicht „die Kinder“ im Allgemeinen, sondern es gibt das Kind. Beziehung muss individuell gepflegt werden. Es entsteht jedes Mal eine „neue Sprache“ zwischen dem Kind und mir. Hier gilt: je jünger das Kind, desto unhörbarer ist es. Wir müssen uns immer fragen, was will es uns mitteilen.
Zitat R. Steiner: „Auf das noch nie Gehörte zu lauschen, das ist unsere Aufgabe“.
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Jedes Kind bildet sich selber, braucht aber dazu unser Vorbild.
Es entscheidet selber individuell, was und wann und in welcher Weise es nachahmt.
Wir respektieren also, dass das Kind macht, was es will! Kinder bestimmen die Situation, d.h. wir sind selber gutes Vorbild dafür, damit es selber das will, was wir wollen, das es will.
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Kindern großen Freiraum geben, viel Zeit lassen, die Dinge des Lebens selbst in die Hand zu nehmen, zu begreifen, Probleme zu lösen – das ist Persönlichkeitsbildung.
Jedes voreilige Helfen bedeutet eine Störung im Selbstbildungsprozess.
Wir nehmen sonst den kleinen Kindern die Erfahrung des echten „Selbst-bewältigen-Könnens“, eben jenes Gefühls des „Ich-kann-das“ oder „Das-trau-ich-mich-noch-nicht“, das später zu einer realistischen Welt- und Selbsteinschätzung führt. Die spätere seelisch-geistige Gesundheit (in der Salutogeneseforschung als Kohärenz = sich verbinden, fühlen mit der Welt und als Resilienz = das Bewältigen der Welt, bezeichnet) wird hier grundgelegt.
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Wir bieten uns bieten als verlässliche, verbindliche Bezugspersonen an, denn diese Beziehungen sind Grundlage für das Vertrauen in die Welt, in die Menschen, in sich selbst.
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Wir bieten dem kleinen Kind Möglichkeiten an, viele verschiedene Primärerfahrungen im Umgang mit der Welt machen zu können. Erfahrungen also, die unmittelbar am und durch den eigenen Leib erworben werden. Eine besondere Rolle spielen dabei die sog. Basalsinne (Tast-, Bewegungs-, Gleichgewichts- und Vitalsinn), die nicht nach außen auf die Welt gerichtet sind, sondern nach innen auf den eigenen Leib. Das Kind erfährt dadurch stets zweierlei: einerseits den eigenen Leib und andererseits die räumlich-stoffliche Außenwelt. Selbst- und Welterfahrung kommen hier zusammen.
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Wir gehen bewusst mit Sprache um.
Sprache bedeutet nicht nur das gesprochene Wort, sondern wir sprechen durch vieles, teilen uns durch vieles mit. Wie wir etwas tun, wie wir verbunden sind mit dem, was wir tun, mit Gesten, Blicken sprechen wir. Wir müssen uns im Umgang mit dem kleinen Kind immer bewusst machen, dass das, was wir ausdrücken auch wahrhaftig ist (d.h. von uns auch so gemeint ist, wie es vordergründig scheint). Kleine Kinder hören, schauen hinter das „Gesprochene“. Sie hören, fühlen das Gemeinte, die wirkliche Botschaft. Also immer wieder reflektieren, ob das, was wir sagen, ob die Botschaft auch echt ist.
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Der Informationsaustausch zwischen Elternhaus und Kindergarten ist wesentlich für das Einleben und Wohlfühlen der Kleinkinder und benötigt viel Raum.
Durch vorangehende Eltern-Kind-Spielgruppen, durch ein intensives Aufnahmegespräch, durch Kennenlernnachmittage, vorbereitende Elternabende, Hausbesuche, intensive Eingewöhnungsphase, ständigen Austausch geben wir dem Raum.